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- Geschrieben von Thomas Glocker
- Veröffentlicht: 21. August 2014
Tracht im Alltag, geht das? Ein ganz normaler Tag im August in der Lederhosen?! Ich bin neugierig und möcht´s wissen! Der Alltagstest muss gemacht werden: Morgens mit den Öffentlichen in die Arbeit, danach alleine in den Biergarten und im Anschluss auf die „Piste“ – das volle Programm eben!
Das erste Mal also außerhalb der Wies´n Zeit schmeiß ich mich morgens um sieben Uhr in meine Tracht. Die „steht“ noch so im Schrank, wie ich sie am 06. Oktober 2013 reingestellt hab und da wiedermal die jährlichen Mehrkilos den Weg auf meine Hüfte gefunden haben, ist die erste Herausforderung schon mal der Einstieg in die Hose und der Verschluss derselben. Nach gefühlt einer Viertelstunde ist endlich der letzte Hirschknopf zu und ich beginne wieder vorsichtig zu atmen – so ungefähr muss es sich also anfühlen, wenn man sich mit einem Korsett die Hüfte auf 20 cm Umfang abschnürt. Aber schon nach kurzer Zeit passt sich die geliebte Hirschlederne überraschenderweise den für sie neuen Bedingungen perfekt an und ich fühlte mich rundum wohl – noch bin ich ja aber auch zu Hause wohlgemerkt. Hemd rein, Westen drüber, Haferl Schuhe an und los geht´s zur S-Bahn, der ersten Station des Selbstversuchs…
Ich bin noch nicht mal zur Tür raus, da kommt von meinem Nachbarn schon der erste Spruch „Is scho wieder Wies´n oder wieso host dei Bier G´wand o, hä?“. Übersetzt wollte er in etwa wissen, warum ich an einem normalen Werktag die Kleidung trage, welche sich besonders gut für ein Trinkgelage eignet und ob ich also vorhabe, auf gut Deutsch, ohne ihn einen „saufen“ zu gehen. Na gut, vom Nachbarn krieg ich regelmäßig einen freundlichen Text zum Start in den Tag - das bringt mich noch nicht aus Fassung. Trotzdem, je näher ich zur S-Bahn komme, desto größer wird die Nervosität – ja ich fühl mich wirklich „sau“ unwohl grad!
An der S-Bahn angekommen ist´s dann doch nicht so tragisch – ein paar verstohlene Blicke und ein, zwei Nasenrümpfer von einigen Halbstarken deren Jeans in den Kniekehlen hängen und die mir ungefragt ihre H&M Unterhosen präsentieren… Damit kann ich leben! Mehr noch, ich fühl mich schon wieder viel besser und krieg direkt Vorfreude auf den Tag!
Auf dem Weg zur Arbeit muss ich direkt über´n Münchner Stachus, der ja eigentlich Karlsplatz heißt aber nach dem ehemaligen Biergartenbetreiber und Stachus Wirt „Eustach Föderl“ bei den Münchnern nur als Stachus bekannt ist. Den Biergarten gibt´s leider nicht mehr, trotzdem ist das Sprichtwort „Hier geht´s zu wie am Stachus“ schon morgens um sieben Programm! Der Marsch über den Stachus dürfte also schon mal richtungsweisend für den weiteren Verlauf des Tages werden. Aber was soll ich sagen, auch hier keinerlei Probleme - nur freundliche Blicke und nettes Kopfnicken. So kann´s weitergehen.
Der Arbeitstag verläuft ebenfalls ohne Probleme, wobei man dazu sagen muss, dass unser Hausmeister ausschließlich Tracht trägt – jeden Tag! Also, kein ungewohntes Bild für die Kollegen und von einer Kollegin krieg ich sogar noch ein kurzes, leicht sexistisches „knackig“ hinterher geworfen, was mich aber auch nicht dazu veranlasst zum Gleichstellungsbeauftragten zu laufen. Dem Chef ist´s auch Wurscht – steht eh kein Kundenbesuch an, bei dem ich mit meinem Outfit für Unverständnis sorgen könnte und sein Kommentar „ Mei früher hat mir meine a no so guad passt, des war´n no Zeit´n!“ bestärkt mich nur darin, die meinige zu tragen, so lang die „Zeit´n“ noch so gut sind.
Halb vier, schönstes Biergartenwetter – der Computer fährt förmlich von selber runter! Mittlerweile voller Vorfreude renn ich rüber, am Marienplatz vorbei in Richtung Viktualienmarkt, dem meiner Meinung nach „münchnerischsten“ aller Biergärten – das „Feierabendbierchen“ ruft. Ich mag Überraschungen und da ist der Biergarten am Viktualienmarkt einfach eine „Bank“. Man weiß nie genau, was man kriegt. Touristen aus aller Herren Länder sitzen neben „echten“ Münchnern und den „üblichen Verdächtigen“ an den Tischen, bekannte Münchner Lokalprominenz gesellt sich zum einfachen Volk und manch (im netten Sinne) Durchgeknallter mischt sich auch unters Publikum. Dazu wechselt auch noch etwa alle sechs Wochen dass Bier von einer Münchner Traditionsbrauerei (Augustiner, Hofbräu, Paulaner, Hacker-Pschorr, Löwenbräu, Spaten) zur nächsten – das hat fast schon was von Russisch Roulette. Für Spannung ist daher immer bestens gesorgt!
Zehn nach halb vier sitz ich also in meiner Krachledernen bei herrlichstem Sonnenschein mit meiner Maß Bier am Viktualienmarkt und genieße den ersten Schluck – ein perfekter Moment! Mittlerweile fühl ich mich pudelwohl in meiner Tracht und hier am Viktualienmarkt bin ich sowieso nicht der einzige, der seine Lederhosen präsentiert. Für die Touris wirkt mein Outfit allerdings „magnetisch“, denn keine fünf Minuten nach meinem perfekten Moment sitzen schon drei Chinesen bei mir am Tisch und unterhalten sich in feinstem Mandarin über den seltsamen Einheimischen in seinem landestypischen Gewand.
Zwei Maß später unterhalten wir uns bestens auch ohne gemeinsame Wörter und mittlerweile haben sich auch noch zwei Australier und ein „Durchgeknallter“ zu uns an den Tisch gesellt – eine wahrhaft illustre Truppe. Gemeinsam ziehen wir weiter zum Chinesischen Turm – den mussten sie unbedingt sehen… Natürlich war auch der Weg dort hin absolut problemlos, schließlich geh ich jetzt locker als Fremdenführer durch, was mir wieder mal die Vielseitigkeit der Tracht aufzeigt.
Dort angekommen, gibt´s erst mal die verdiente Belohnung in Form einer weiteren kühlen Maß Bier. Einer der Chinesen schüttet mir schon zum zweiten Mal vor lauter Begeisterung sein Bier über meine Hose aber was soll´s, dafür ist´s eine Lederhosen worden. Die Stimmung ist mittlerweile am Höhepunkt angelangt und ich verabschiede mich an demselben, um mein Experiment fortzusetzen.
Auf meiner Liste steht als letztes die Clubtauglichkeit der Tracht und so geh ich voller Euphorie in die Münchner Nacht. Mein Spaß am Selbstversuch wird auch nicht von zwei gescheiterten Einlassversuchen gemindert, denn schon beim dritten Anlauf klappt´s! Ich bin drin und auch hier bewährt sich die Tracht wieder – diesmal als perfekter Einstieg in die Gesprächsanbahnung zum anderen Geschlecht oder auch für´s „Anbandeln“ wie wir Bayern sagen.
Eigentlich stand auf meiner Liste noch das P1 (Münchens erste Adresse – angeblich…) als ultimativer Gradmesser der Alltagstauglichkeit. Aber da ich da ja sonst auch nicht hingehe, lass ich´s auch heut lieber weg. Allerdings bin ich mir sicher, dass ich auch da mit meiner Lederhosen durch die Einlasskontrolle gegangen wäre, wie mein Hirschfänger durch die Butter – wenn´s läuft, dann läuft´s eben! Tracht sei Dank!
So fahr ich lieber mit einem zufriedenen Grinsen auf den Lippen mit der letzten S-Bahn nach Hause und auch dieser letzte Weg stellt kein Problem mehr dar – die Leute, die jetzt noch unterwegs sind haben ohnehin andere Probleme, als sich über die Klamotten anderer Gedanken zu machen.
Meine einzige Sorge ist jetzt nur noch, dass ich heimkomme und mir mein Nachbar auf dem Weg zur Frühschicht über den Weg läuft der mir mit den Worten „Du blede Sau, jetzt warst doch ohne mi auf d´r Roas beim Saufa“ eine gute Nacht wünscht. Aber glücklicherweise werd ich auch davon verschont, schließ meine Wohnung auf, schmeiß mich auf´s Bett und schlaf glücklich ein – in meiner Lederhosen versteht sich!
Fazit: Insgesamt gesehen ist mit einer ordentlichen Tracht eigentlich alles machbar und sie ist fast schon alltagstauglich. Ob ich die Tracht (außerhalb der Wies´n Zeit) wieder in die Arbeit anziehen würde, weiß ich nicht aber für den Biergartenbesuch passt sie allemal perfekt. Ich werd deshalb definitiv meine Lederhose künftig auch unter dem Jahr öfter mal aus dem Schrank holen und in den Biergarten ausführen – probiert es doch einfach auch einmal aus!
Viel Spaß,
Eure Biergartenfreunde